- Friedensnobelpreis 1947: Religiöse Gesellschaft der Freunde \(Quäker\)
- Friedensnobelpreis 1947: Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)Mit der Auszeichnung ihrer Organisationen wurden zugleich alle Quäker für ihre weltweite Sozialarbeit und den Einsatz für die Völkerverständigung geehrt.Friends Service Council (FSC), gegründet London 1927, American Friends Service Committee (AFSC), gegründet Philadelphia (Pennsylvania) 1917; um 1647 Begründung der christlichen Religionsgemeinschaft der »Kinder des Inneren Lichts« (ab 1652: »Gesellschaft der Freunde«), 1868 Gründung der Friends Foreign Mission Association (FFMA), einer der Vorläuferorganisationen des FSC, 1870 erstes Friends War Victims Relief Committee (FWVRC), 1948 Akkreditierung des Quaker United Nations Program als Nichtregierungsorganisation bei der UNO, 1994 Einrichtung der Quäkerhilfe-Stiftung.Würdigung der preisgekrönten LeistungUnter den verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften spielt die Religiöse Gesellschaft der Freunde von der Zahl ihrer Mitglieder her lediglich eine untergeordnete Rolle. Rund 250 000 Menschen in etwa 30 Ländern bekennen sich heute zu ihr, ungefähr doppelt so viele wie vor 300 Jahren. Sie sind zum allergrößten Teil in den USA und auf den Britischen Inseln beheimatet. Gemessen an dieser vergleichsweise geringen Mitgliederzahl (zu der allerdings noch etwa die gleiche Anzahl von »Freunden der Freunde« kommt, Menschen, die am Leben der Gesellschaft teilhaben, ohne jedoch formal Mitglieder zu sein) sind die »Freunde« in der Öffentlichkeit erstaunlich gut bekannt, vor allem auch in Deutschland, wo die um die Mitte des 17. Jahrhunderts in England gegründete Religionsgemeinschaft gegenwärtig gerade einmal knapp 400 Mitglieder zählt. Man kennt sie hierzulande allerdings nicht unter ihrem offiziellen Namen, sondern als die Gemeinschaft der »Quäker«, verbindet damit die »Quäkerspeisung« und andere humanitäre Hilfsaktionen der »stillen Helfer« in den Jahren nach den Weltkriegen.Ihren guten Ruf hat sich die von dem Engländer George Fox (1624-91), einem Schuhmacher und Laienprediger, gegründete Gemeinschaft erst durch tatkräftige Nächstenliebe und beharrliches Festhalten an ihren Grundsätzen erworben. Der Name »Quäker« (von to quake = zittern, erbeben) war ursprünglich ein Spottname, gemünzt auf das Zittern, von dem manche Freunde während der Andachten ergriffen wurden und werden. Mittlerweile empfinden die »Quäker« den Namen nicht mehr als Beleidigung, auch wenn sie selbst sich lieber einfach »Freunde« nennen.Lasst es uns doch mit Nächstenliebe versuchen!Das ekstatische Zittern während der meist in schweigender Andacht verbrachten Gottesdienste oder »Meetings«, der einst von den »Freunden« viel getragene Quäkerhut und früher gepflegte Eigenarten der Sprache haben bei den Angehörigen anderer religiöser Gruppen das Bild der Quäker geprägt, sind allerdings kaum mehr als belanglose Äußerlichkeiten. Eine sehr viel größere Bedeutung haben die fundamentalen Glaubensinhalte der »Freunde« und die Regeln, die sie daraus für das Alltagsleben ableiten. Sie glauben, dass jeder Mensch das Wort Gottes im Herzen empfangen kann, dass alle das »innere Licht« besitzen und daher vor Gott und den Menschen gleich sind. Diese zutiefst demokratische Überzeugung ließ die Quäker nicht nur zu Vorkämpfern für die Gleichberechtigung der Frau und für die Sklavenbefreiung werden, sondern sorgte durch die Ablehnung jeder weltlichen und geistlichen Obrigkeit, durch die Verweigerung des Kriegsdienstes und der Einordnung in eine kirchliche Hierarchie bereits wenige Jahrzehnte nach der Gründung der Religionsgemeinschaft für Konflikte mit dem englischen Staat und der Kirche. Die Quäker versuchten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, den Repressalien in England durch Auswanderung nach Nordamerika zu entgehen. Dort, besonders in Pennsylvania, befindet sich bis heute ihre Hochburg.Trotz der Verfolgungen, die die »Freunde« erleiden mussten, hielten sie am Prinzip der Gewaltlosigkeit fest, predigten gegen den Krieg und wurden so zu einer der historischen Friedenskirchen. Von der Deklaration von 1660, in der jeder Krieg verurteilt wurde, »aus welchem Grund auch immer« er geführt werde, über die Gründung einer der ersten internationalen Friedensbewegungen Anfang des 19. Jahrhunderts und der konsequenten Kriegsdienstverweigerung in den beiden Weltkriegen bis hin zum 50. Jahresmeeting des American Friends Service Committee, das 1967 unter dem Motto »To See What Love Can Do« stand, zieht sich der Einsatz der Quäker für den Weltfrieden wie ein roter Faden durch ihre Geschichte. Zu den Besonderheiten ihrer Friedensarbeit gehören die »Quäker-Botschaften«, in mehreren Ländern geschaffene Einrichtungen, in denen sich Männer und Frauen verschiedener Nationen persönlich kennen lernen und auf diese Weise für besseres internationales Verständnis sorgen. Vor allem das 1917 während des Ersten Weltkriegs gegründete American Friends Service Committee hat sich der Konfliktvermeidung verschrieben und setzt sich für die Interessen von Minderheiten, wie den Indianern, den Afroamerikanern oder den Armen jeder Hautfarbe und Herkunft, ein.Die stillen HelferDie humanitäre Hilfe der »Freunde« war und ist mit Missionstätigkeit verbunden. Das gilt auch für die 1868 gegründete Friends Foreign Mission Association (FFMA), aus der 1927 durch Verschmelzung mit dem Friends Council for International Service (CIS) das britische Quäker-Hilfswerk Friends Service Council (FSC) hervorgegangen ist. Um 1850 begannen die Quäker, die sich bis dahin hauptsächlich der Sozialarbeit in Großbritannien und den USA gewidmet hatten, mit Hilfsaktionen in aller Welt, etwa während der verheerenden Hungersnot in Irland (1847/48), Indien (1866), Madagaskar (1867), China (1886) und Ceylon (1897-1921). Das erste offizielle Hilfskomitee der Freunde für Kriegsopfer (Friends War Victims Relief Committee) entstand 1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg, und seither haben auch die Deutschen, seien es Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Vertriebene oder die von den Nationalsozialisten verfolgten Juden, die selbstlose Hilfe der »Stillen Helfer« mit dem roten und dem schwarzen Stern als Symbol kennen und schätzen gelernt.Die Verleihung des Friedensnobelpreises 1947 fiel in eine Zeit, in der die Hilfsaktionen des Friends Service Council und des American Friends Service Committee gerade den Höhepunkt erreichten. Auch später hatten die Quäker noch viel Gelegenheit, ihre Bereitschaft zu tätiger Nächstenliebe zu beweisen, etwa bei nationalen und internationalen Konflikten zum Beispiel in Indien, Palästina, Korea, Algerien und Ungarn. Am Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es auf einer Weltkarte, die die von den Quäkern geleisteten Friedens- und Sozialarbeiten verzeichnet, kaum weiße Flecken. Und das Spektrum von Bedürftigen, für die sich die »Freunde« einsetzen, ist eher noch breiter geworden. Es reicht in der alphabetisch geordneten Liste von AIDS-Opfern über Homosexuelle und Roma bis zu den Insassen von Todeszellen.P. Göbel
Universal-Lexikon. 2012.